Warum fallen Politiker eigentlich (fast) nie tot um?

Please, die…

Morrissey an Maggie Thatcher,

„Margaret on the Guillotine“, 1988

Schon seit geraumer Zeit kommt mir immer mal wieder ein Phänomen in den Sinn, das mir bemerkenswert erscheint; nämlich die Seltenheit des Sterbens von hohen PolitikerInnen im Amt. Ich denke dabei nur an natürliche Todesursachen – Machthaber, die gewaltsam den Tod fanden, fallen mir natürlich ohne Anstrengung reihenweise ein. Nein, was ich meine, ist das fast völlige Fehlen von Schlagzeilen wie dieser: „US-Präsident Trump nach Schlaganfall überraschend verstorben!“ Das wäre doch schön und interessant zugleich, Trump ist 74, das ist nun wirklich ein gutes Alter zum Sterben. Aber so etwas passiert einfach fast nie, oder?!

Suchmaschint man nach „politiker die im amt verstarben“, so findet man bezeichnenderweise weit oben einen Artikel des österreichischen Kuriers zu in Ausübung ihrer Tätigkeit verstorbenen österreichischen Spitzenleuten. Tatsächlich starben volle fünf von acht (!) Bundespräsidenten des kotelettförmigen Ländchens im Amt, zuletzt Thomas Klestil 2004 zwei Tage vor Ende seiner Ablösung an einem Herzinfarkt. Und dann war da natürlich noch Jörg Haider, der Erz-Rechtspopulist, der sich 2008 standesgemäß in besoffenem Zustand totfuhr. Nun gut, dass bei diesem Thema das todessüchtige Österreich eine Sonderstellung einnimmt, überrascht eigentlich nicht wirklich, und Haiders Tod war ja nun auch nicht so richtig natürlich.

Bing – übrigens eine wesentlich komfortablere Suchmaschine als Google – verrät einem auf der ersten Suchergebnis-Seite noch, dass vier der US-Präsidenten im Amt den Löffel ohne fremde Hilfe abgaben, zuletzt Franklin D. Roosevelt 1945. Stimmt, Roosevelt, nach langer Kränklichkeit raffte ihn ein Hirnschlag kurz vor Ende des Krieges dahin…

Tiefer wollte ich garnicht in der Recherche einsteigen, schon um meine schöne Hypothese nicht zu gefährden. Nun gut, Ösis und einige amerikanische Präsidenten von Anno Blumenkohl… Aber in echten Staaten und heutzutage passieren plötzliche natürliche Politikertode doch nicht mehr! Oder fällt jemandem ein(e) Machthaber(in) oder ranghohe Persönlichkeit ein, die in den letzten Jahrzehnten in unserem Kulturkreis mitten im Dienst entschlummert ist?

Vielleicht wirkt die Daseinsform des Top-Politikers ja auch wie ein Lebenselexier. Dieses unter Dauerstrom stehende Hetzen von Termin zu Termin, von Sitzung zu Sitzung, fast ohne Pausen, macht es dem Tod möglicherweise schwer, die biologische Maschinerie des Menschen zum Stillstand zu bringen, es zirkuliert einfach zuviel Energie in diesen Leuten und sie lässt sich nicht komplett ersticken, wie ein Feuer unter ständiger Sauerstoffzufuhr, das sich kaum gänzlich löschen lässt.

Denkt man das noch ein Stück weiter, könnte man spekulieren, dass die unbewusste Motivation der Mächtigen, sich auf den steinigen Weg der politischen (oder sonstigen) Karriere zu begeben, hohe Ämter anzustreben und ein Leben am Limit zu führen, nicht der Wunsch ist zu gestalten, wie sie immer selbst von sich sagen, auch nicht einmal der Wille zur Macht, sondern der ewige Traum, Gevatter Tod ein Schnippchen zu schlagen, sich eine hochenergetische Aktivpanzerung zuzulegen, die es der Sense des Schnitters unmöglich macht, den hyperaktiven Todeskandidaten niederzumähen.

Die Mächtigen dieser Welt als Gegenentwurf zu den ebenfalls hochintensiv lebenden, aber mangels Selbstbeherrschung früh sterbenden Stars des Rock? The beautiful die young. The ugly live forever – immerhin hoffen sie das vielleicht.

PS.:

Zum Schluss noch das Alter einiger hoher deutscher Politiker und internationalen Staatsmänner und –männinen, damit ich das nicht umsonst rausgesucht habe: Uschi von der Leyen (61), Steinmeier (64), Merkel (66), Schäuble (77), Bolsonaro (65), Shinzo Abe (65), Putin (67), Xi Jinping (67), Narendra Modi (69), Trump (74).

© Matthias Wehrstedt 2020

2 Gedanken zu “Warum fallen Politiker eigentlich (fast) nie tot um?

  1. Da fällt mir eigentlich auch nur FJS (Franz-Josef Strauß) ein, der an einem Schlaganfall verstorben ist als er bayerischer Ministerpräsident war.

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