„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn,
dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird.
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst,
blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
Friedrich Nietzsche
Im Jahr 2017, genau am 31. Oktober, jährt sich die Veröffentlichung von Martin Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel [1], der als Auftakt der heute unter der Bezeichnung „Reformation“ bekannten religiösen Revolution am Anfang des 16. Jahrhunderts gilt, zum 500ten Mal. In der evangelischen Welt wird dieses Jubiläum verständlicherweise ausgiebig gefeiert; die deutschen Protestanten riefen sogar volle 10 Jahre ab 2008 vorab zur „Lutherdekade“ aus, um auf das enorme Datum hinzuleiten und veranstalten dieses Jahr republikweit ein riesenhaftes Spektakel rund um den Reformator, speziell in der „Lutherstadt“ Wittenberg. [2]
Auf der anderen Seite wurde als Antwort auf dieses Ausmaß an Verehrung von religions- und kirchenkritischer Seite ein heftiges Luther-Bashing betrieben. Sein Glaube an Teufel und Dämonen, sein Aufruf zu rücksichtsloser Gewalt gegen die aufständischen Bauern, seine Frauenfeindlichkeit und insbesondere sein scharfer Antisemitismus im Alter wurden und werden mit leidenschaftlicher Vehemenz an den Pranger gestellt und ihm derhalben insgesamt die Eignung als große Persönlichkeit und geistiges Vorbild abgesprochen. Texte, die dieser Linie folgen, sind beispielsweise Hubertus Mynareks „Ein monströser Gott“ (über Luthers Gottesbild) und „Martin Luthers Großangriff auf Philosophie und Vernunft“ (Mynarek, 2016a & 2016b), beide Ende 2016 beim Humanistischen Pressedienst (https://hpd.de) erschienen. In Buchform wären da z.B. Henkel (2017) und Wippermann (2014) zu nennen. Kritische Aktionen wie der „Nackte Luther“ begleiteten evangelische Kirchentage und Jubiläumsveranstaltungen. Auch Fernsehphilosoph Richard David Precht mag den Reformator nicht und nennt ihn einen „widerlichen Gesellen“ und „Verbrecher an der Menschheit“.[3]Weiterlesen »